Welt Online - September 2000

Özgida Presse

Türkische Unternehmer bilden aus

Halis Öztürk hatte sich in den Kopf gesetzt, etwas für Jugendliche tun, die keine Lehrstelle haben. "Wenigstens ein paar von ihnen wollte ich von der Straße holen", sagt er. Doch bis er die ersten drei Lehrlinge in seinem Supermarkt "Öz-Gida" in Schöneberg einstellen konnte, war es ein weiter Weg. Meist fehlen in ausländischen Betrieben die formalen Voraussetzungen zur beruflichen Ausbildung oder es gibt keine ausbildungsberechtigten Mitarbeiter, wie es das deutsche Berufsbildungsgesetz vorschreibt. Darum hat sich Öztürk entschlossen, einen Kurs zu belegen, um die Qualifikation als Ausbilder zu erlangen.

Öztürk ist einer von 20 Lehrgangs-Teilnehmern eines Ausbilder-Kurses, der im September begonnen hat. Eine Einrichtung, die es in Berlin erst seit zweieinhalb Jahren gibt. In drei Monaten ist die Abschluss-Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. "Vier Monate dauert ein Kurs und umfasst insgesamt 160 Unterrichtsstunden", sagt Fatoş Topaç vom Projekt Ausbildung bei der SPI Servicegesellschaft. SPI organisiert im Auftrag des Berliner Senats und der IHK diese Ausbilderkurse.

"Viele ausländische Unternehmen bilden nicht aus, weil sie zu wenig über das deutsche duale Ausbildungssystem wissen ", sagt Fatoş Topaç. Und eine ebenso häufig anzutreffende Hemmschwelle vieler in Deutschland lebender Ausländer ist die Scheu vor der deutschen Bürokratie. Öztürk kann dies aus seinem Bekanntenkreis nur bestätigen. "Viele kommen mit der deutschen Rechtschreibung nicht hundertprozentig klar" und haben Angst, sich bei deutschen Behörden zu blamieren, wenn sie sich dort über das Thema Ausbildung informieren möchten. "Hinzu kommt das Ausfüllen von Formularen und der Wust an gesetzlichen Regelungen, die selbst für viele deutsche Betriebe kaum noch zu durchschauen sind", sagt Fatoş Topaç.

Die IHK hat dieses Problem erkannt. "Wir setzten seit einiger Zeit auf zweisprachige Ausbildungs-Berater", sagt Hans Platte, Teamkoordinator in der Ausbildungsberatung bei der IHK. Diese Mitarbeiter, angestellt beim Verein Arbeit und Bildung, sprechen die Betriebe gezielt auf deutsch und türkisch an. Mit wachsendem Erfolg. Seit dem Start des ersten Kurses im Frühjahr 1998 haben 80 Teilnehmer die Prüfung zum Ausbilder bestanden. Insgesamt 150 Lehrstellen sind seitdem in Berlin zusätzlich entstanden. Das ist im Vergleich zu den fast 13 000 Berliner Ausbildungsplätzen nicht viel. Doch die Prognosen der IHK sind optimistisch. "In zwei Jahren werden es um die 300 sein", sagt Hans Platte.

Auch nach der erfolgreichen Prüfung werden die Betriebsinhaber nicht alleine gelassen. "Wir helfen bei der Auswahl von Azubis, übernehmen die Formalitäten mit der IHK und melden die neuen Lehrlinge in der Berufsschule an", sagt Fatoş Topaç.

In Berlin haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 5200 Betriebe mit Inhabern türkischer Herkunft angesiedelt. Mit rund 15 000 Beschäftigten stellen sie einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der Stadt dar.

Natürlich haben sich Halis Öztürks gute Erfahrungen mit den neuen Lehrlingen längst herum gesprochen - die ersten Nachahmer stehen schon auf der Matte.

Von Matthias Schäfer