Berliner Morgenpost - 10 März 2000

Özgida Presse

Drei Brüder, ein Supermarkt. Vom kleinen Obstladen zum großen Geschäft - Türkische Familie hat es geschafft.

Schöneberg - Sein blauer Kittel weht zwischen den Regalen. Prüfend blickt Halis Öztürk über die zwölf Meter lange Fleischtheke. Dann stapelt er Dosen mit Okraschoten und Bohnen zu Türmen, sortiert im nächsten Gang Teegläser und Kaffeemaschinen in große Drahtkörbe. Der 29-jährige ist in seinem Element. Nicht mehr auf dem Fußballplatz zeigt der "offensive Mitelfeldspieler" Einsatz, sondern im deutsch-türkischen Supermarkt Öz-Gida. Den hat er gemeinsam mit seinen Brüdern Ibrahim (36) und Ilhan(38) im Juni´99 eröffnet, im rapsblütengelb und erbsengrün getünchten Flachbau auf dem Gelände der Maison de Santé an der Hauptstraße 16. Für die Familie bedeutet das Umzug und Aufstieg zugleich.

Auf mehr als 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche bietet Öz-Gida - abgeleitet vom Familiennamen Öztürk und Gida, dem türkischen Wort für Lebensmittel - rund 2000 Artikel von Ananas bis Zellophan, aus Deutschland, der Türkei, Bulgarien, Griechenland, Frankreich, dem Iran. "Bei uns gibt es neben Lebensmitteln auch Geschirr, Kosmetika und Hygieneartikel", sagt Halis Öztürk. Was ihn außerdem von anderen türkischen Supermärkten unterscheide, sei der Parkplatz. "Dafür sind wir berlinweit bekannt. Unsere Kunden wollen alles unter einem Dach kaufen und keine weiteren Wege zurücklegen". Denn bei Öz-Gida wird der Einkauf zum Kraftakt: am Wochenende, wenn türkische Mütter die Grundversorgung ihrer Großfamilie sicherstellen. Da stapeln sich im Wagen die Fünf-Kilo-Kanister, Beutel und Tüten mit eingelegtem Essiggemüse, Hirse und Tee, ganze Lämmer werden, vom Fleischer zuhackt und zurechtgeschnitten, nach Hause getragen. Dazwischen kiloweise frische Paprika, Auberginen und Petersilie. "Etwa 60 Prozent unserer Kunden", so der Geschäftsführer, "Sind türkischer Abstammung, rund 30 Prozent Deutsche und der Rest multikulturell".

Die Deutschen, in der Regel ohne Großfamilie, kauften eher für den Tagesbedarf, vor allem Feinkost. Schafskäsevariationen mit Spinat, An der Theke, die durch ein Dutzend Oliven oder Peperoni besticht, reicht Verkäuferin Nuriye Sak eine Kelle mit gebrochenem Oliven über den Tresen. Gisela Meyer greift zu. Die Zehlendorferin deckt sich Kernfrüchten und Pide ein, kauft auch Fleisch und Gemüse. "Der Laden liegt auf dem Weg zur Arbeit. Die Preise sind niedrig", sagt sie. Im Schaufenster künden Plakate von den Angeboten der Woche, darunter Sardinen (Karadeniz Hamsisi) aus dem Schwarzen Meer. "Die kommen aus meiner Heimat", sagt Halis Öztürk. Denn die Öztürks stammen aus Giresun am Schwarzen Meer. Halis kam als jüngster und letzter von sechs Geschwistern 1980 mit seiner Mutter nach Berlin. Der Vater war bereits zehn Jahre zuvor nach Deutschland gezogen, arbeitete erst als Werftarbeiter in Bremen, dann in einer Berliner Brotfabrik. "Er hat meine Brüder beim ersten Geschäft finanziell unterstützt", so Halis. Das war vor elf Jahren in Neukölln an der Sonnenallee - ein Obst- und Gemüseladen. Halis machte zu der Zeit noch eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker, arbeitete später als Hotelkaufmann an der Fasanenstraße. "Doch dann haben wir uns gesammelt": Halis stieg 1996 in den Familienbetrieb ein, die Brüder kündigten ihre Jobs als Maschinenführer. 1997 eröffneten sie eine Dependance an der Hauptstraße und schließlich, zwei Jahre später, genau gegenüber ihren Supermarkt. Familien- und Gemeinsinn wird groß geschrieben. Unter den zehn Angestellten finden sich einige öztürks, die Nichten und Neffen der drei Brüder. Meistens wird gemeinsam gefrühstückt und zu Mittag gegessen Beten ist bei dem gläubigen Muslim keine Pflicht. Aber Alkohol und Schweinefleisch sind im Sortiment tabu. "Damit zu arbeiten, wäre eine Sünde", so Öztürk. Gegenüber den Mitarbeitern ist er liberal: "Von unseren Frauen tragen drei Kopftücher, zwei nicht. Das ist kein Problem."

Von Tatjana Laninger.